Der europäische „Dritte Weg“: Weder Wilder Westen noch Staatskontrolle
Das US-Modell ist libertäres Chaos. Das chinesische Modell ist autoritäre Überwachung. Europa baut einen Dritten Weg für KI: Menschenzentriert, reguliert und souverän.
Die Geopolitik des Codes
Technologie ist nicht neutral. Das war sie nie. Code spiegelt die Werte, die Vorurteile und die politische Philosophie der Gesellschaft wider, die ihn erschafft.
Im 21. Jahrhundert wurde die digitale Welt von zwei dominanten, konkurrierenden Ideologien geprägt.
Das amerikanische Modell: Angetrieben vom Silicon Valley und der Wall Street. Dieses Modell priorisiert Geschwindigkeit, Skalierung und Aktionärsgewinne über alles andere. Es ist im Kern libertär. Sein Motto lautet „Move fast and break things“ (Schnell handeln und Dinge kaputt machen). Wenn Demokratie, psychische Gesundheit oder Privatsphäre dabei auf der Strecke bleiben, wird dies als „Disruption“ betrachtet (bedauerliche Kollateralschäden, die der Markt irgendwann regeln wird). Es ist das Modell des Überwachungskapitalismus, in dem der Nutzer das Produkt ist.
Das chinesische Modell: Angetrieben vom Staat und der Partei. Dieses Modell priorisiert Kontrolle, Stabilität und nationale Macht. Technologie ist ein Werkzeug für soziales Management. Privatsphäre vor dem Staat existiert nicht. Die „Great Firewall“ filtert die Realität. Es ist das Modell des digitalen Autoritarismus, in dem der Nutzer ein Untertan ist, der verwaltet werden muss.
In den letzten zwanzig Jahren fühlte sich Europa in diesem Kampf der Titanen oft nur wie ein Zuschauer. Wir waren die digitale Kolonie. Wir waren die Konsumenten amerikanischer Software und die Nutzer chinesischer Hardware. Wir hatten keine eigenen „Big Tech“-Giganten. Wir waren Befehlsempfänger, keine Regelsetzer.
Das Erwachen
Das hat sich geändert. Zuerst langsam, nun mit zunehmender Dynamik, ist Europa erwacht. Mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), dem Digital Markets Act (DMA), dem Digital Services Act (DSA) und nun der wegweisenden EU-KI-Verordnung (AI Act) hat Europa einen Dritten Weg definiert.
Dieser Dritte Weg ist nicht nur ein Mittelweg zwischen den USA und China. Es ist eine grundlegend andere Vision davon, wozu Technologie da ist.
Der europäische Dritte Weg bekräftigt, dass Technologie der Menschheit dienen muss, nicht umgekehrt. Er postuliert, dass Grundrechte (Privatsphäre, Würde, Nichtdiskriminierung und demokratische Selbstbestimmung) keine „Hindernisse für Innovation“ sind, die es zu disruptieren gilt. Sie sind die nicht verhandelbaren Grenzen, die Innovation erst nachhaltig machen.
Warum Regulierung ein Feature ist, kein Bug
Kritiker (meist amerikanische Risikokapitalgeber und ihre Lobbyisten) rümpfen oft die Nase über Europa. Sie sagen, Europa reguliere sich in die Bedeutungslosigkeit. Sie sagen, der AI Act würde Innovation ersticken. Sie sagen, wir würden „Mathematik verbieten“.
Wir widersprechen. Wir glauben, dass Regulierung Vertrauen schafft. Und Vertrauen ist die wertvollste, knappste Währung in der KI-Ökonomie.
Betrachten Sie die Luftfahrtindustrie. Sie ist stark reguliert. Man kann nicht einfach ein Flugzeug in der Garage bauen und Passagiere befördern. Ersticken diese Vorschriften die Innovation? Nein. Sie ermöglichen sie erst. Gerade weil das Fliegen so sicher ist, sind Milliarden von Menschen bereit zu fliegen. Würden Flugzeuge so oft abstürzen wie Software, gäbe es keine Luftfahrtindustrie.
Da sich KI von einem Spielzeug zu einer kritischen Infrastruktur wandelt (die unsere Energienetze steuert, unsere Krankheiten diagnostiziert, unsere Autos fährt), werden die Nutzer dasselbe Maß an Sicherheitsgarantien verlangen. Sie werden „Move fast and break things“ nicht akzeptieren, wenn das, was kaputt geht, ihr Herz oder ihr Bankkonto ist.
Durch die Festlegung hoher, klarer Standards für Transparenz, Sicherheit und Rechenschaftspflicht schafft Europa einen Markt für „Premium-KI“. Während amerikanische Unternehmen beim Datenschutz einen Wettlauf nach unten veranstalten, um mehr Daten abzugreifen, bauen europäische Unternehmen Systeme, denen die Menschen tatsächlich vertrauen können.
Wir positionieren europäische KI als die „Bio-Lebensmittel“ der digitalen Welt. Sie mag etwas schwieriger zu produzieren sein als die Alternative aus der Massentierhaltung, aber sie ist gesünder, sicherer und zunehmend das, was der Verbraucher verlangt.
Der Brüssel-Effekt 2.0
Wir sehen bereits die globalen Auswirkungen dieser Strategie. Man nennt es den „Brüssel-Effekt“.
Wenn die EU einen hohen Regulierungsstandard für ihren riesigen Binnenmarkt (450 Millionen wohlhabende Verbraucher) festlegt, übernehmen globale Unternehmen diesen Standard oft weltweit, weil es einfacher ist, ein einziges konformes Produkt zu bauen, als separate Versionen zu pflegen.
- DSGVO: Wurde zum faktischen globalen Standard für Datenschutz. Apple, Microsoft und sogar Google führten DSGVO-ähnliche Kontrollen weltweit ein.
- USB-C: Die EU schrieb ein einheitliches Ladegerät vor. Apple stellte das iPhone weltweit auf USB-C um.
Dasselbe passiert nun mit KI. Länder wie Brasilien, Japan, Kanada und sogar der US-Bundesstaat Kalifornien betrachten den EU AI Act als Vorlage für ihre eigenen Regulierungen. Multinationale Konzerne richten ihre KI-Governance bereits an den EU-Regeln aus, weil sie wissen, dass sich der regulatorische Wind in diese Richtung dreht.
Europa ist nicht nur ein Regulierer; es ist ein Labor. Wir sind die einzige Region der Welt, die ernsthaft versucht, das schwere Problem zu lösen: Wie baut man eine High-Tech-Gesellschaft, die gleichzeitig eine freie, demokratische Gesellschaft ist?
Dweves Rolle: Überzeugt europäisch
Wir bei Dweve sind überzeugt europäisch. Wir sehen unseren Standort nicht als Nachteil, sondern als unseren Wettbewerbsvorteil.
Wir entwickeln KI, die Privatsphäre durch Design (Privacy by Design) respektiert, nicht erst im Nachhinein. Wir bauen KI, die standardmäßig erklärbar ist (Glass Box), weil unsere Kunden es verlangen und unsere Gesetze es fordern. Wir bauen KI, die den Arbeiter stärkt, anstatt ihn zu ersetzen, ganz im Sinne des europäischen Sozialmodells der Arbeitsbeziehungen.
Wir priorisieren auch die Digitale Souveränität. Wir stellen sicher, dass unser Technologie-Stack nicht von ausländischen Kontrollebenen abhängt (wie in unserem Artikel über die Illusion der Datensouveränität diskutiert). Wir setzen auf diverse Hardware (AMD, Intel, RISC-V), um Lock-in-Effekte in der Lieferkette zu vermeiden.
Die Zukunft ist wertegetrieben
Die erste Phase des digitalen Zeitalters wurde von den USA gewonnen. Sie bauten die Plattformen. Die zweite Phase (Fertigung) wurde von China gewonnen. Sie bauten die Geräte.
Die dritte Phase (das KI-Zeitalter) ist noch offen. Und wir glauben, sie wird nicht allein durch rohe Rechenleistung gewonnen werden. Sie wird durch Werte gewonnen.
Die Welt braucht kein weiteres Facebook. Sie braucht keine weitere Überwachungsmaschine. Sie braucht keinen Algorithmus, der Teenager für Werbeeinnahmen radikalisiert. Sie braucht Technologie, die die menschliche Handlungsfähigkeit stärkt. Sie braucht Technologie, die die Wahrheit sagt. Sie braucht Technologie, die sicher ist.
Das ist die europäische Mission. Das ist der Dritte Weg. Und wir bei Dweve sind stolz darauf, ihn zu ebnen.
Bereit für den europäischen Dritten Weg? Dweve entwickelt KI, die beweist, dass Sie sich nicht zwischen Innovation und Werten entscheiden müssen. Kontaktieren Sie uns, um zu erfahren, wie unsere menschenzentrierte, datenschutzfreundliche und erklärbare KI Ihrem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil in der Vertrauensökonomie verschaffen kann.
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Über den Autor
Harm Geerlings
CEO & Mitgründer (Produkt & Innovation)
Gestaltet die Zukunft der KI mit binären Netzen und Constraint-Reasoning. Leidenschaftlich für effiziente, zugängliche und transparente KI.